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Frankfurter Neue Presse, 12. Januar 1996
Scheue Blicke, knappe Gesten decken versteckte Gefühle auf
Nelly & Monsieur Arnaud von Claude Sautet.
Eine junge Frau und ein älterer Mann Was könnte sie miteinander
verbinden?, sinnierte Claude Sautet und legte die Betonung auf
das Wörtchen könnte. Denn alles an seinem legeren, sehr französisch
anmutenden neuen Film bleibt mit einem Konjunktiv behaftet, mit
der offenen Frage, was passieren würde, wenn
Wenn Nelly
und Monsieur Arnaud gleichaltrig wären, würde sich womöglich
eine leidenschaftliche Liebe zwischen ihnen ergeben. So aber bleiben
sie getrennt durch den unüberwindlichen Unterschied ihrer Jahre.
Nelly (Emmanuele Béart) steht neugierig am Beginn ihrer
Lebenserfahrungen, Arnaud (Michel Serrault) abgeklärt an deren
Ende. Während die junge Frau ihre gescheiterte Ehe gerade erst
hinter sich hat, blickt der ältere Mann mit 30jährigem Abstand
auf die seinige zurück.
Kennengelernt haben sich die beiden per Zufall, in einem Cafe.
Nun sind sie einander zugetan, durch eine geschäftliche Vereinbarung:
Nelly soll das Manuskript eines Buches abtippen, das Arnaud verfaßt
hat, über seinen ersten Berufsabschnitt als Richter und seine
jäh von der Wirklichkeit enttäuschte jugendliche Naivität.
In den gemeinsamen Stunden am Schreibcomputer erscheint Arnauds
Vergangenheit mehr und mehr als Spiegelbild von Nellys Gegenwart.
Hinter dem förmlichen Umgangston bricht eine behutsame Zuneigung
hervor, ein vorsichtiges Ertasten der Wesensverwandtschaft. Dabei
bekräftigt der Regisseur Claude Sautet seine Meisterschaft im
Aufdecken versteckter Gefühle. Auch wenn vieles an seinem Film
als unausgeführt schwache Andeutung hinterbleibt, macht er doch
die Verletzlichkeit zweier suchender Menschen spürbar.
Mit Nelly & Monsier Arnaud schreibt Sautet ganz selbstverständlich
seine persönliche, rund 40jährige Filmgeschichte fort, die über
mehrere Klassiker führt, wie Die Dinge des Lebens (1969) und
Cesar und Rosalie (1972). Schon jüngst, bei Ein Herz im Winter
(1993), arbeitete der bedeutende Franzose mit Emmanuelle Béart
zusammen, die hier, scheu und apart, erneut für sich einnimmt.
Im reizvollen Wechselspiel mit Michel Serrault, diesem Grandseigneur
unter den Schauspielern, bannt sie die Kunst der sparsamen Ausdrucksmittel,
der vielsagenden Blicke und bedeutsam knappen Gesten, auf die
Leinwand.
(Frankfurt: alpha, Harmonie)
von Sabine Kinner
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